Konferenz der Tiere
„Es geht um die Kinder“ ist das Mantra in Die Konferenz der Tiere, „es geht um die Kinder“. Alois der Löwe, der König der Tiere, Oskar der Elefant, ein Berg von Tier und Leopold, die Giraffe, mit Weitblick allein durch ihre Größe sind die drei Leittiere, die zur Konferenz einladen.
„Es geht um die Kinder!“
Vielleicht ist das der Grund, warum die Konferenz inzwischen ein Privileg der Lehrer ist. In jedem ordentlichen Beruf hat man Meetings und in der Politik gibt es gar Gipfel, G8-Gipfel, obwohl im Restaurant G2, im Zug G3 und im Gymnasium G9 übernommen hat, das ist doch der … - wir kommen vom Thema ab, also G.
Im Gymnasium also, so hat es Lehrer Block selbst erlebt, im Gymnasium betreten auch regelmäßig drei Leittiere die Bühne und führen die Zusammenkunft. Es hat tatsächlich einen Touch von Avatar, wenn diese Lebewesen zur Kommandobrücke hoppeln, der Mensch hat Angst vor dem Unbekannten. Die Ohren spitz, unabhängig voneinander in der Bewegung steuerbar im Radius von 180 Grad. Die Augen unter den Ohren, seitlich am Kopf, sodass der Blick fast rundum schweifen kann. Man kennt das von Pferden, die, wussten man es, zur Kategorie der Fluchttiere zählen.
Und hier beginnt das Problem.
Hatten bei der Kästner-Konferenz auch Raubtiere und ansonsten mächtige Gestalten zur Besprechung geladen, tippelt und tappelt auf der Schulbühne ein Triumvirat aus - Fluchttieren. Nun können Fluchttiere ganz liebe Menschen sein, sie sind extrem sozial, das Pferd kooperiert auf erstaunliche Weise, tatsächlich kann man hier von Telepathie sprechen. Das Fluchttier ist meist ein liebes Tier. Allerdings ein Tier, dessen erster Ratgeber die Angst ist.
Es will nicht leiten, nicht führen, nicht vornewegpreschen, nicht entscheiden - es will Teil der Herde sein, nur so kann es überleben. Das mag bis hierhin verständlich und erstaunlich zu beobachten sein, aber es liegt in der Natur dieser Tiere.
Aber Bürohengste als Schuleitier?
Das mag für die Raubtiere da draußen ertaunlich zu beobachten sein, aber - es liegt in der Natur dieser Tiere. Der Löwe wird im Ökosystem Schule leergesaugt, die Giraffe gevierteilt, der Elefant erledigt. Eine marodierende Masse aus Fluchttieren hat dem König das Zepter geraubt.
Der schnellste Weg zum Ziel des Bürohengstes ist der Weg mit dem geringsten Widerstand und führt er auch einmal um die Tierwelt, vor eine Klasse führt er dazu kaum. Er legitimiert sich durch eine einzige Vorsilbe, die er wie Orden an seiner nicht vorhandenen Mähne trägt.
Er ist, und das steht tatsächlich im Anforderungsprofil für Schuleitiere, möglichst un-auffällig, un-entschlossen, un-inspiriert, un-ausgebildet, un-charmant, un-qualifiziert, un-tadelig, un-tauglich, un-zeitgemäß, un-ökonomisch und un-cool und damit in fast jeder Profession unhaltbar. Wer sich, so steht es geschrieben, möglichst viele dieser Unorden tätowiert hat, steht beim Pausenverkauf, Pardon in der Nahrungskette ganz oben. Er schlägt den Schulgong und schwingt taktlos.
Das wäre alles kein Unglück, würde diese Spezies die Kfz-Zulassungsstelle leiten und Wunschnummernschilder ausgeben, T-ier 1 zum Beispiel oder L-öw 2014, aber hier geht es, wie aus Sicht von Alois, Oskar und Leopold eigentlich bei jeder Konferenz, „um die Kinder“. Diese „Aktenfabrikanten, diese Tintenkleckser, diese Leitzordner, diese zweibeinigen Büroschemel", geht dem Elefant irgendwann der Gaul durch. Denn Oskar weiß:
Es handelt sich um ein empfindliches Ökosystem. Eine Schule braucht ein Profil und keine Profilierung, ein Profil und keine Profilneurose. Sie braucht keine Angststörung, sondern eine Störung der Angst. Die Setzlinge lechzen nach Leitung und Linie und was sie bekommen sind Noten von Nieten. „Wir werden die Welt schon in Ordnung bringen! Wir sind ja schließlich keine Menschen!“, davon sind die Tiere überzeugt. Mit dem kultusministeriellen Darwinismus haben sie nicht gerechnet.